Humor, Krimis, Rezensionen, Romane

Frauen, die Bärbel heißen

91zvmvl8hslAutorin: Marie Reiners
Verlag: FISCHER Scherz

Meine Mutter heißt Bärbel.
Deshalb blieb ich in der Buchhandlung am Buchtitel kleben und las den Klappentext. Schon über diesen musste ich so lachen, dass die Kaufentscheidung sofort fiel.

Man stelle sich eine schrullige, eigenbrödlerische Mittfünfzigerin vor, die seit vier Jahrzehnten alleine lebt. Sie ist Tierpräparatorin und meidet den Kontakt zu anderen Menschen. Nur ihre Mischlingshündin Frieda sowie hunderte ausgestopfte Tiere leisten Bärbel Gesellschaft. Zu dumm, dass plötzlich beim Gassigehen eine Leiche auf dem Weg liegt.

Was folgt, ist eine Krimi-Farce mit rabenschwarzem Humor. Ich fühlte mich beim Lesen an den „Hundertjährigen, der aus seinem Fenster stieg und verschwand“ erinnert. Ähnlich skurril sind die Situationen, in die Bärbel hineingerät bzw. sich selbst bringt. Geschrieben aus einer köstlich verschrobenen, weltfremden Ich-Perspektive. Beispielsweise zieht Bärbel beim Anblick einer kitschigen Rokoko-Kommode mit krummen Beinen den Vergleich zu einem toten Pudel, den sie einmal aus einem Graben gefischt und präpariert hat…

Am Ende des Buches bleiben ein paar Fragen offen, was mich auf eine Fortsetzung dieser herrlichen Geschichte hoffen lässt. Von mir gibt es klare 5 Sterne!

5 Sterne

Foto ©️Vincent van Zalinge

Krimis, Rezensionen

Im Wald

Autorin: Nele Neuhaus
Verlag: Ullstein

Holla die Waldfee!

Bisher habe ich von Nele Neuhaus alle Bücher gelesen, da durfte dieses nicht fehlen, denn immerhin komme ich aus Oberursel im Taunus. Wer die Verfilmungen ihrer Taunuskrimis kennt und die Bücher nicht gelesen hat, verpasst so einiges. Ob dieser neue Roman jedoch jemals verfilmt wird, wage ich zu bezweifeln.

Meine Güte, ist der komplex.

Die Wertungen der Leser reichen von „viel zu verwirrend“ bis hin zu „hochspannend“, denn tatsächlich muss man beim Lesen höllisch aufpassen, nicht den Faden zu verlieren.
Zig Personen, deren familiäre und freundschaftliche Beziehungen untereinander, diverse Handlungsstränge – puh, da hat Frau Neuhaus sicherlich bei der Vorbereitung so einige Schaubilder gebastelt, um selbst noch durchzublicken.
Das hat sich meiner Meinung nach sehr gelohnt! Mich hat das Buch von Anfang an gefesselt, zumal bis zum Ende offen blieb, was nun eigentlich genau passiert war und wer sich als Täter entpuppen würde. Sozusagen ein klassischer „Whodunit“-Krimi. Mir gefiel die detaillierte Charakterzeichnung von Bodenstein, der sich seit über vierzig Jahren schuldig am Verschwinden seines besten Freundes fühlt und nun mitten in den Fall hineingezogen wird.
Die Atmosphäre im Dorf ist geprägt von alten Feindseligkeiten, Gerüchten, verabredeter Schweigsamkeit und schlichtweg Angst. Nele Neuhaus fängt diese Stimmung wunderbar ein. Dass auch die kleinste Handlung ungeahnte Folgen haben kann, wird in ihrer Geschichte mehrmals deutlich. Ebenso, wie verhängnisvoll vorschnell gefällte Urteile über unsere Mitmenschen und ihre Handlungen sein können.

In der Tat ist dieses Buch keine „leichte Kost“. Wer aber gerne tief in Bücher eintaucht, komplexe Geschichten mag und keinen Wert auf eine 08/15-Handlung legt, wird es sicherlich mögen.
Mir ist das Buch satte 4,5 Sterne wert, und wäre mir ausgerechnet Pia mit ihren Gedanken und Äußerungen nicht so häufig überkonstruiert vorgekommen, hätte es sogar 5 Sterne gegeben.

4einhalb Sterne

Bild von Jamie Street via unsplash.com
Humor, Kinderbücher, Rezensionen

Geschichten von Drache und Bär

Autor: Konrad Utz
Verlag: Independent

Geeignet für Kinder ab ca. 5 Jahre,
die vorgelesenen Geschichten auch
ohne viele Bilder folgen können.

Der Drache und der Bär sind beste Freunde. Während der Drache gerne Prinzessinnen frisst (jedenfalls theoretisch), mag der Bär natürlich am liebsten Honig.

Das wär’s dann aber auch schon mit den Stereotypen. In den Geschichten von Drache und Bär erfährt man vieles, was man nie gedacht hätte – wie es wohl ist, wenn ein Bär einen Hut trägt, wie der Igel zu seinem Namen kam, was passiert, wenn man Prinzessinnen mit Hilfe von Sperrmüll und Rhabarberkuchen eine Falle baut… und am allerwichtigsten: Was wahre Freundschaft ausmacht.

Mein Sohn ist jetzt sechs Jahre alt und liebt dieses Buch seit ungefähr einem Jahr, wobei er Spaß an den lustigen Geschichten hat, die ich liebend gerne mit verstellter Stimme vorlese. Es gibt zahlreiche goldige Details, die sich eher an die erwachsenen Vorleser richten, so dass wir beide voll auf unsere Kosten kommen. Nicht alle Geschichten sind gleich stark, z.B. ist die Reise zum Mond für meinen Geschmack entbehrlich, aber das ist natürlich sehr subjektiv und lässt mich nur ein halbes Sternchen abziehen.

 

Photo by Peter Forster, unsplash.com
Rezensionen, Thriller

The Cleaner („Der siebte Tod“)

Autor: Paul Cleave
Verlag: Atria Books

gelesen auf Englisch
Deutscher Titel:
„Der siebte Tod“

 

Was für ein Arschloch.

Pardon my French, aber dieser Protagonist ist ein waschechter Soziopath. Als ich neulich ein Interview mit Sebastian Fitzek sah, empfahl er dieses Buch – zu Recht, wie sich herausstellte. Lasst mich kurz zusammenfassen:

Joe Middleton arbeitet als Putzkraft im Polizeipräsidium. Vom Grips her könnte er einen lukrativeren Job haben, doch sein Hobby ist das Töten unschuldiger Frauen. Da ist es für ihn praktisch, bei der Polizei quasi an der Quelle mitzubekommen, wie sehr die Beamten bei der Suche nach dem Mörder im Dunkeln tappt. Joe hatte sich der Polizei gestellt, dabei allerdings einen geistig Zurückgebliebenen gemimt, der nur auf die Belohnung aus war. Irgendwie hatten die Beamten Mitleid mit ihm und stellten ihn als Putzkraft ein. In dieser Rolle des „Slow Joe“ arbeitet er fortan tagsüber im Präsidium und findet sich dabei selbst dermaßen pfiffig, dass er zunehmend leichtsinniger wird und manche Situationen völlig falsch einschätzt. Dummerweise geht eines der ihm zugeschriebenen Opfer gar nicht auf sein Konto, also nutzt er die Infos an seinem Arbeitsplatz zum Ermitteln auf eigene Faust. Wäre da bloß nicht die etwas doofe und aufdringliche Hausmeisterin Sally, die Joe anbaggert.

Paul Cleaves Debut ist nichts für schwache Nerven, es geht ordentlich fies zur Sache. Joe erzählt aus der Ich-Perspektive, während Kapitel über Sally in der dritten Person geschrieben sind. Die Welt nur aus Joes Perspektive zu sehen, wäre auch kaum auszuhalten. Nur ein Beispiel für seinen Charakter: Er liebt seine Mutter abgöttisch, ist jedoch gleichzeitig extrem genervt von ihr. Während eines Besuches bei ihr zückt er eine kleine Portion Rattengift, das er ihr heimlich in ein Getränk mischt. Anschließend sinniert er darüber, dass er es nicht aushalten würde, wenn seiner Mutter etwas zustieße. Wie ich bereits erwähnte, ist Joe ein Soziopath. Kein Wunder, dass seine beiden besten Freunde zwei Goldfische sind.

Es gibt mehrere tiefschwarzhumorige Szenen, wobei einer der besten Gags tatsächlich der ist, dass Sally und Joe sich gegenseitig für zurückgeblieben halten.

Für mich war „The Cleaner“ ein superspannendes Buch, das ich am liebsten in einem Rutsch durchgelesen hätte. Der Großteil des Buches verdient eigentlich fünf Sterne, nur hat mich das Ende ein bisschen enttäuscht. Es ist schlichtweg zu kurz und beantwortet nicht alle offenen Fragen. Trotzdem empfehle ich es ganz klar weiter. Danke, Herr Fitzek!

4 Sterne

 

Rezensionen, Romane

Turtles All The Way Down („Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“)

Autor: John Green
Verlag: Dutton Books for Young Readers

gelesen auf Englisch.
Deutsche Übersetzung:
Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken

Mein erstes Buch von John Green, obwohl bereits „The Fault in our Stars“ auf meinem Bücherstapel liegt. Zu Deutsch „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“, von dem ich vorher schon weiß, dass ich beim Lesen heulen werde wie ein Schlosshund…

Bei „Turtles all the way down“ geht es um Aza, ein 16jähriges Mädchen, aus dessen Perspektive das Buch geschrieben ist. Die Rahmenhandlung ist schnell skizziert: Der millionenschwere Vater eines Jungen (David), den Aza aus einem Sommercamp für Halbwaisen kennt, ist verschwunden, und ihre Freundin Daisy ist scharf auf die 100.000 Dollar Belohnung, die für hilfreiche Hinweise ausgelobt wurden. Also hoffen die Mädchen auf Insider-Infos und mogeln sich in die Nähe des Jungen. Ich möchte nicht spoilern und verrate daher nicht, wie die Suche ausgeht oder was es mit dem Reptil im Beitragsbild auf sich hat 😉 …

Interessant wird das Buch vor allem durch die komplexe Gedankenwelt, in die Aza uns hinein zieht. Es sind Zwangsgedanken, die meistens um mögliche Infektionen kreisen, denn Aza knibbelt immer wieder an einer Wunde am Finger herum, die sie sich selbst zugefügt hat. Sie selbst spricht von „Gedankenspiralen“, aus denen sie einfach nicht entkommt, obwohl sie sich mit aller Macht dagegen wehrt. Sie fühlt sich von diesen Gedanken dermaßen eingeschränkt, dass sie ihre eigene Persönlichkeit nicht zu fassen vermag. Als würden sie diese Gedanken nicht nur bestimmen, sondern auch definieren.

Ohne ihre Freundin Daisy hätte Aza vermutlich keinen Kontakt zu Gleichaltrigen. Und eigentlich möchte sie David nicht auf die Pelle rücken, doch tatsächlich findet sie in ihm einen Verbündeten, der ihre Gedankenwelt akzeptiert und versteht.

Das Schöne an diesem Buch ist gleichzeitig das Anstrengende: Azas Gedankenstrudel reißen den Leser mit in ihre qualvolle Zwangsgedankenwelt. Am liebsten möchte man diesen Gedanken eins reinhauen, damit sie Ruhe geben, denn man kann unmittelbar nachfühlen, welche Belastung sie für Aza sind. Doch auch in andere Gedanken zieht uns Aza direkt hinein. Über Freundschaft, über das Leben, über den schmerzhaften Abschied von ihrem Vater, der viel zu früh und plötzlich gestorben war. Azas Mutter möchte gerne mehr Nähe zu ihrer Tochter aufbauen, doch Aza blockt häufig ab. In erster Linie aus Angst, ihrer Mutter unnötige Sorgen zu machen.

John Green verleiht jedem Charakter eine wunderbare Tiefe, so dass bei mir während des Lesens ein richtiger Film im Kopf ablief. Die Geschichte wirkt in sich stimmig, sie ist sehr unaufgeregt und trotzdem mitreißend. Es werden nicht restlos alle Fragen beantwortet, die beim Lesen auftauchen, was angesichts der Ich-Perspektive aber nicht weiter stört.

Bei meiner Wertung habe ich lange überlegt, ob ich nicht volle fünf Sterne geben soll. Den halben Stern Abzug gebe ich schweren Herzens, weil mir das Ende des Buches zu wenig ausführlich war. Da hätte ich mir ein paar mehr Seiten gewünscht.

Trotzdem eine klare Leseempfehlung!

Bild von Steven Hanna via unsplash.com
Rezensionen, Romane, Thriller

Coffin Road

Autor: Peter May
Verlag: Quercus Pub Inc

gelesen auf Englisch.
Deutsche Übersetzung:
Coffin Road – Tödliches Vergessen

Ein Mann wird ohne Erinnerungen an einem Strand angespült. Erster Impuls: Hmpf, nicht noch eine Amnesie-Story.
Aber Peter May schafft es (mal wieder), den Leser direkt in die Geschichte hinein zu ziehen, und mit raffinierten Perspektivwechseln hält er die Spannung konstant hoch.

So viel sei zur Geschichte verraten: Der angespülte Mann schreibt aus der Ich-Perspektive. Wer ist er, warum kann er sich nicht an seine Identität erinnern? Offensichtlich lebt er seit 18 Monaten zurückgezogen auf einer Insel mit nur wenigen Nachbarn, heißt Neal und schreibt ein Buch über die Geschichte dreier Leuchtturmwärter, die vor knapp hundert Jahren plötzlich verschwanden.

Dann jedoch gibt es Ungereimtheiten und eine seltsame Entdeckung auf der „Coffin Road“, die Neal weitere Nachforschungen anstellen lassen. Wem kann er wirklich trauen? Und was macht dieser seltsame Typ, der unweit seines Hauses im Wohnmobil lebt und ständig mit dem Feldstecher herumgafft?

Weitere Infos wären „Spoiler“, und ich bin froh, vorher keine ausführlicheren Rezensionen gelesen zu haben. Die Wendungen im Roman/Thriller sind stets nachvollziehbar und nie zu konstruiert, alles fügt sich am Ende zu einer „runden Sache“ zusammen.

Dieses Buch ist eine perfekte Mischung aus Spannung, Whodunit-Krimi, Wissenschaftsthriller (ohne zu verkopft zu sein) und Familiendrama.
Châpeau, Peter May!

Wertung5

Foto von Shane Rounce, unsplash.com
Kinderbücher

Mutter sag, wer macht die Kinder?

Autor: Janosch
Verlag: Little Tiger Books

Au weia. Dieses Buch ist mir während des Studiums in einem Seminar über Bilderbücher begegnet, und ich bin froh, dafür kein Geld ausgegeben zu haben.

Ein gutes Aufklärungsbuch sollte kindgerechte Sprache verwenden, keine verzerrten Geschlechterbilder vermitteln und Fakten leicht verständlich präsentieren. Dabei versagt dieses Machwerk auf allen Ebenen.

Das kleine Mäusemädchen „Tütü“ verknallt sich unsterblich in einen Kerl, der nur Sportautos im Kopf hat und dadurch sowas von unwiderstehlich ist (*örks*). Janosch behauptet, Männer hätten eigentlich immer Lust; er verwendet die unsäglichen Begriffe „Piller“ und „Puschel“ für die Geschlechtsteile, und die Tierkinder in Tütüs Schulklasse haben offenbar live den Geschlechtsverkehr ihrer Eltern beobachtet. Der wiederum dient laut Text nur dazu, dass der Mann seinen Samen in die Frau spritzt. Und daraus entsteht dann ein Baby im Bauch der Frau.

Das Buch ist von 1992, also keineswegs neu, doch offensichtlich nehmen es manche Eltern tatsächlich auch heutzutage als „Hilfe“ zur Aufklärung ihrer Kinder. Davon kann ich nur abraten – ab damit in die Mottenkiste.

Praedikat-entsetzlich